Die ersten Wochen für Michael Limmer im Amt des BSJ-Bezirksvorsitzenden waren geprägt von Gesprächen mit Vereinsfunktionären und Vertretern der Politik. Besonders beeindruckt ihn dabei der unermüdliche Einsatz der vielen Ehrenamtlichen im Verband und in den Vereinen. Auch mit der Geschäftsstelle wächst der Sport- und Fitnessfachwirt aus Dingolfing schon zusammen. „Alle haben nur ein Ziel vor Augen: Den Sport in seiner Vielfalt Kindern und Jugendlichen näher zu bringen“, schwärmt Limmer bereits. Gemeinsam mit seinem motivierten Team in der Bezirksjugendleitung lenkt der Jugendbeauftragte der Stadt Dingolfing so in den kommenden vier Jahren die Geschicke der mit addiert etwa 147.000 Kindern und Jugendlichen größten Jugendorganisation Niederbayerns und hofft, so auftretenden Herausforderungen kompetent und pragmatisch begegnen zu können.
Die BSJ-Verbandsarbeit ist für sie grundlegend neu, Sie sind kein klassischer Aufsteiger innerhalb der BSJ, sondern ein Quereinsteiger. Welche Vor- und Nachteile bringt das mit sich?
Michael Limmer: Otto Baumann hat die BSJ Niederbayern mit großem Engagement erfolgreich geführt. Als Quereinsteiger in die BSJ kann man durchaus mit neuen Ideen und Ansätzen für frischen Wind sorgen. Das ist mein erklärtes Ziel – nichtsdestotrotz möchte ich natürlich auch an gewachsenen Strukturen und bewährten Abläufen festhalten.
Trotzdem sind Sie nicht fremd in der Welt des Sports. Welche Erfahrungen bringen Sie mit und wie wollen Sie diese in der BSJ einbringen?
Michael Limmer: Mein Leben dreht sich schon seit meiner Kindheit in vielerlei Hinsicht um den Sport. In meiner Kindheit und Jugend war ich Nutznießer vorbildlicher ehrenamtlicher Vereinsarbeit, die mich bis heute positiv geprägt hat, später habe ich selbst über viele Jahre im Breiten- und Leistungssport bei Fußball- und Eishockeyvereinen als Trainer fungiert. Und nicht zuletzt bin ich beruflich als Geschäftsführer eines Landessportverbandes tätig. Die Sichtweisen auf den Sport und das Ehrenamt sind also durchaus vielfältig.
Politisch wird der Sport durchaus gesehen, aber selten priorisiert. Warum aber ist die ausreichende Finanzierung des Sports so elementar für unsere Gesellschaft und vor allem unsere Jugend?
Michael Limmer: Ich sage es ganz klar: Der Wert, den das Ehrenamt leistet ist unbezahlbar. Dazu zähle ich neben den Sportvereinen ebenso die Feuerwehren, Vereine die sich mit Tradition, der Gesellschaft oder Musik befassen sowie die kirchlichen Organisationen. Die ehrenamtliche Jugendarbeit in den Sportvereinen gibt den Kindern und Jugendlichen Halt und vermittelt Werte: Respekt, Fair-Play und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Hautfarbe, Herkunft, Sprache oder Religion spielen im Sport keine Rolle. Daher ist festzustellen, dass neben den unheimlich wichtigen gesundheitsfördernden Faktoren des Sports auch der integrative Wert von immenser gesellschaftlicher Bedeutung ist. Sport ist mehr als die reine Bewegung, es ist vielmehr eine Schule fürs Leben.
Was wünscht sich die BSJ folglich von Land, Bezirk und Kommunen?
Michael Limmer: Die Signale aus der Politik sind positiv. Man sollte seinen Fokus nicht auf die Vergangenheit richten, aber ich möchte mahnend betonen, dass sich die politischen Fehlentscheidungen während der Pandemie nicht wiederholen dürfen. Dass selbst über längere Zeit hinweg und entgegen der Meinung von Experten Sport im Freien nicht erlaubt war, war ein großer Fehler. Aber: Die Situation war neu und ich hoffe man hat daraus gelernt. Seitdem hat sich viel getan. Die Mitgliedszahlen waren im Keller, aber die Vereine haben ganze Arbeit geleistet und nun sind die Zahlen so hoch wie noch nie. Darüber hinaus liegt unser Fokus darauf, dass ausreichend finanzielle Mittel für die Freiwilligendienste für 2025 und darüber hinaus bereit zu stellen. Das „FSJ“ hat sich als feste Institution in vielen Vereinen bewährt. Wenn man den Rotstift für Einsparungen im Bundeshaushalt ansetzen muss, warne ich energisch davor, dies bei Jugend- und Vereinsarbeit zu tun. Es braucht schleunigst positive Signale aus dem Familienministerium und Planungssicherheit für die Vereine.
Sie sind ebenfalls politisch engagiert, bekleiden unter anderem das Amt des Jugendbeauftragten der Stadt Dingolfing. Wie kann Ihnen Ihr bestehendes Netzwerk dabei helfen, die entsprechenden Mittel für den Sport zu beschaffen?
Michael Limmer: In der Tat ergeben sich an einigen Stellen Symbiosen, weil der Einblick in die Sportvereine schon tiefgründig ist. Es gibt zu vielen Vereinen einen kurzen Draht und ich bekomme immer relativ schnell umfangreiches Feedback zu verschiedenen Entwicklungen auf allen Ebenen: Dieser kontinuierliche Dialog ist für eine gute und zielführende Arbeit in der BSJ unabdingbar. Nichtsdestotrotz ist es mir ein großes Anliegen, nicht nur auf mein bestehendes Netzwerk zurückzugreifen. Ich möchte deutlich betonen, dass für Anliegen von allen Vereinen, Ehrenamtlichen, Eltern, Kindern und Jugendlichen meine Tür sperrangelweit geöffnet ist.
Sie haben es bereits anklingen lassen: Sport schafft Integration. Dafür braucht es neben den notwendigen Mitteln, aber auch die Fachverbände und Vereine. Wie wollen Sie diese mitnehmen, um den Sport noch mehr zum Instrument der Integration werden zu lassen?
Michael Limmer: Die Vereine machen schon jetzt einen fantastischen Job. Die Kinder und Jugendlichen, die bereits in den Vereinen aktiv sind, bereiten mir weniger Sorgen. Was wir schaffen müssen, ist es, die Kinder und Jugendlichen in den Vereinen zu integrieren, die es im Leben nicht so leicht haben. Da sehe ich noch großen Nachholbedarf. Der gesetzliche Anspruch auf Ganztagsbetreuung birgt da sicher Potenzial, um Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen auf den Weg zu bringen. Dabei dürfen wir die Vereine und engagierten Ehrenamtlichen nicht alleine lassen: Auch hier ist der Freiwilligendienst im Sport ein großer Mosaikstein, um effektiv und zum Wohle der Kinder, Jugendlichen und Vereine zu agieren. Die Politik ist hier gefordert gute Rahmenbedingungen zu schaffen.
Insbesondere in den Schulen wird der Sport oft als lästiges Beiwerk betrachtet. Welche Möglichkeiten hat die BSJ hier, diesen Blick wieder zu verändern?
Michael Limmer: In der Bildungspolitik darf der Sportunterricht nicht ein lästiges Übel im Lehrplan sein, sondern muss aus meiner Überzeugung zentraler in den Stundenplänen verankert werden. Ginge es nach mir, sollten die Sportstunden ab der ersten Klasse in den Lehrplänen verdoppelt werden. Die positiven Effekte des Sports – auch in Bezug zur Konzentrationsfähigkeit und Lernbereitschaft – sind unbestritten und wissenschaftlich nachgewiesen. Als Anwalt der Kinder und Jugendlichen werden wir hier dauerhaft die Stimme erheben, um die Wichtigkeit des Sports zu betonen. Es geht dabei nicht nur darum, einen Purzelbaum zu schlagen oder dem Ball hinterherzulaufen, sondern um viel mehr. Die Herausforderungen in der Bildungspolitik sind groß und Veränderungen sind dringend notwendig. Das Potenzial des selbsterklärten „Pisa-Turbos“ war groß. Deutsch und Mathe mehr Aufmerksamkeit zu schenken, ist richtig und notwendig. Andere wichtige Fächer zusammenzustreichen und dem Sportunterricht keine größere Bedeutung zu schenken, halte ich dagegen für eine vertane Chance.
Die Verbandsarbeit wird von Vereinen, Mitgliedern und Außenstehend zunehmend nicht mehr wertgeschätzt. Einige Fachverbände sind erheblicher Kritik ausgesetzt. Was entgegnen Sie diesem Trend, was wäre der organisierte Sport ohne die Verbandsarbeit?
Michael Limmer: Diese These würde ich so nicht zwingend als allgemeingültig unterstreichen. Letzten Endes ist die Verbandsarbeit aber sicher anspruchsvoll, weil viele verschiedene Interessen aufeinandertreffen. Die Komplexität wird alleine schon dadurch unterstrichen, dass im BLSV/der BSJ insgesamt 56 Sportfachverbände und über 350 Sportarten angesiedelt sind. Genau das ist aber die zentrale Aufgabe der Verbandsarbeit im BLSV beziehungsweise der BSJ: Die Interessen der verschiedenen Facetten des Sports aufzunehmen und jene der Fachverbände, Vereine, Ehrenamtlichen und Mitglieder an die Vertreter der Polik und übergeordneten Verbände aktiv zu vertreten. Alle die mich kennen, wissen, dass das Ehrenamt, die Vereinsarbeit, die Belange von Kindern und Jugendlichen mein Herzensthema sind. Ich kann versprechen, dass ich mich dafür mit ehrlicher Arbeit, Transparenz und einem klaren Kurs einsetzen werde.